FORUM WERKSTATT STORIES ARCHIV KLEINANZEIGEN
 
Projekt eTouring - Teil 6: Überblick mögliche Akkus     16.08.2021

Beim Umbau eines Youngtimers auf Elektroantrieb teilt sich die Arbeit in drei wesentliche Themenbereiche auf:


1. Mechanik: Motorhalter, Antriebswellen Adaption, (ggf. Differential, Getriebe)

2. Fahrsteuerung: Motor, Inverter, Controller, Gaspedal, Fahrstufenwahl, Bremslichtschalter

3. Akkus: Batterien, Batterieboxen, BMS, Ladegeräte

Die Schritte 1 und 2 sind bei mir mehr oder weniger abgeschlossen. Auf Punkt 2 gehe ich später noch ausführlich ein. Der Elektromotor benötigt Treibstoff in Form von jeder Menge Strom aus den Akkus. Im Falle des TESLA Motors sind hohe Spannungen im Bereich von 350V nötig, damit er ordentlich funktioniert. Wegen der 220kW maximaler Leistung braucht es aber auch sehr hohe Ströme von bis zu 650A.


Man könnte also auf die Idee kommen auch die Akkus aus einem TESLA zu nutzen. Es müssten jedoch 14-16 Batteriemodule verbaut werden um auf die erforderliche Spannung zu kommen. Weiterhin liegen die Kosten für 15 solcher Pakete bei weit über 10.000 EUR. Ein anständiges und damit nicht günstiges BMS ist zwingend erforderlich, sonst gibt schnell ein Feuerwerk.

Auf der Habenseite stehen 400km Reichweite, aber es sind dafür auch 400kg Akkus im Auto unterzubringen. Der E30 scheint mir dafür nicht geeignet, eher ein T4 Bus oder ein Pickup, wo man die Ladefläche nutzen kann.

Meine erste Wahl sind die Akkus aus einem Opel Ampera. Hier sind zwar nur geringe Reichweiten erzielbar, aber zur Not muss man das Paket halt zweimal verbauen. Für meine Zwecke würde ein Paket aus drei Modulen reichen und mit 141kg ist man gewichtstechnisch ganz vorn mit dabei.

Weiterhin sind diese Akkus bekannt dafür, dass sie über ordentlich Power verfügen und auch eine 450PS LDU ansteuern können.

BMW i3 Akkus sind gut am Markt verfügbar und sind ein gesunder Zwischenweg zwischen Reichweite und Gewicht. Es gibt verschiedene Varianten, die kleinste wird gebraucht schon ab 3000 EUR angeboten und bietet dann 100km Reichweite.

Die i3 Akkus sind ebenfalls hochstromfähig. Es gibt einen 911er mit LDU der 3 Sekunden auf 100 damit fährt.

Ich bin durch einen Zufall sehr günstig an völlig andere Akkus gekommen, die auf den ersten Blick überhaupt nicht geeignet erscheinen. Die WINSTON LiPoFe Akkus sind Dinosaurier der Elektrifizierung und sicher schon seit 10 Jahren unverändert am Markt erhältlich. Die Effizienz, also Verhältnis Gewicht zu Reichweite ist eher mau. Weiterhin sind sie laut Hersteller nicht für hohe Ströme vorgesehen wie der TESLA Motor sie benötigt. Für 100kW sind sie ok und 5 Sekunden lang verkraften sie auch mal 200kW Belastung, bevor Ihnen zu warm wird.


Damit es also keine Missverständnisse gibt, hier meine ganz klare Aussage:

Ich empfehle diese Akkus nicht für den TESLA Motor Betrieb.



Ich nutze aber was da ist, also werden diese Akkus jetzt entgegen der Theorie im eTouring ausprobiert.

Danke nochmal an Verwertungsbetrieb, der gerade mehrere Elektroautos aus dem Jahr 2014 mit diesen Akkus reinbekommen hat und mich eines dieser Fahrzeuge komplett als Ersatzteilspender nutzen lies. Ich habe bei der Zerlegung viel gelernt und jede Menge interessanter Teile in die Hand bekommen können. Letztlich kann ich aber nur die Akkus und teilweise das BMS nutzen, der Rest ist einfach in meiner SDU schon vorhanden.




Batterieboxen im Detail


Bevor es jetzt überhaupt weitergeht noch ein paar eindringliche Sicherheitshinweise. Die hier beschriebenen Akkus haben richtig Dampf auf dem Kessel. Es handelt sich um lebensgefährliche Spannungen. Arbeiten an den Akkus dürfen nur von geschultem Personal mit entsprechender Schutzausrüstung durchgeführt werden.

Wenn Ihr also keine Ahnung von Elektrotechnik habt, dann lasst das bitte eine Fachfirma machen.

Ich habe die entsprechende Ausbildung und auch ein wenig Erfahrung mit Mittelstromanlagen.

Mindestausstattung für die Arbeiten an der Hochvoltanlage sind solche Gummihandschuhe mit dem doppelten Dreieck Symbol.

Als erstes habe ich mir die hintere Batteriebox vorgenommen, die im Bereich des ehemaligen Tanks sitzen soll. 

Hier sind 30 Winston LiPoFe Zellen verbaut.

LiPoFe heisst Lithium Phosphat Eisen. Dieser Akkutyp ist nicht so effizient wie Lithium Ionen Modelle, aber er ist auch wesentlich ungefährlicher. Wie der Hersteller in Vergleichsvideos eindrucksvoll zeigt, besteht keine Brandgefahr bei Kurzschluss oder Überladung. Es raucht zwar ordentlich, aber es gibt kein Feuerwerk wie bei den anderen Batterietypen.

Lithiumakkus dürfen nicht überladen oder zu stark geleert werden, ansonsten droht Beschädigung der Zellchemie und die Zellen fallen aus. Die Winston Akkus sind sehr robust und besitzen einen großen Arbeitsbereich. Im Normalfall liegt die Spannung der Akkus zwischen 3,1 und 3,4 Volt (10-90% Ladung). Laut Hersteller verkraftet der Akku aber auch 2,5 - 4 Volt. Würde ich zwar nicht empfehlen, weil dies sicherlich die Lebensdauer verringert, aber es ist doch gut zu wissen, daß es diese Reserven gibt.

Im Gegensatz zu den blauen LiPoFe Akkus sind die gelben Winston komplett von Plastik umschlossen, sie müssen also nicht gegeneinander isoliert werden.

Die Dinos haben also auch Ihre Vorteile, insbesondere die Robustheit.

Vor dem Spass kommt die Arbeit. Es müssen ja 108 der gelben Zellen in Reihe geschalten werden um auf die gewünschten 355V zu kommen. Also 107 Verbinder anbringen, 108 Litzen für das Batteriemanagementsystem (BMS) verlegen. Zum Glück hat mir das der Erbauer des Schrott Elektroautos schon abgenommen.

Die 30 Zellen der hinteren Batteriebox haben zusammen 98,9 V, also 3,29 je Zelle. Somit sind hier alle Zellen in Ordnung. Gäbe es Abweichungen in der Gesamtspannung (also weniger als 30 x 3,29) wäre eine Zelle defekt oder eine oder mehrere Zellen aus der Balance. Bei mir sind alle gleich geladen, das BMS hat also bis vor kurzem gute Dienste geleistet.






Die vordere Batteriebox beinhaltet auf 2 Etagen 70 Winston Zellen. In Summe also 230V. Der Service Disconnect Trennstecker erlaubt das Trennen des Stromkreises innerhalb der Reihenschaltung. Das heisst aber nicht, daß man beim Öffnen der Boxen unvorsichtig werden darf. Hereinfallende Schraubenschlüssel sind tabu. Ein Kurzschluß zwischen den Polen sorgt für kräftigen Funkflug, gefolgt von ungeplanten Schweissvorgängen und nach ein paar Minuten bläht sich er Akku auf und entwickelt starken Rauch.

Bei den weiter oben aufgeführten Hightech Akkus gibts direkt ein Feuerwerk, also kleinere Explosionen einzelner Zellen und später eventuell den unlöschbaren Lithiumbrand.


Die mittlere Batteriebox wollte ich eigentlich in den Getriebtunnel des E30 bauen, weil sie ganz gut rein passen würde. Zwischenzeitlich habe ich aber beim Hersteller der Zellen gesehen, dass die liegende Montage nicht vorteilhaft für die Zellchemie ist. Und da hier nur 8 Zellen liegen, habe ich diese Batteriebox aufgelöst und werde die Zellen anderweitig aber stehend im Auto montieren.

In der mittleren Batteriebox saßen bei dem Schrott-Elektroauto die HV Schütze, die also die Hochvolt Spannung für den Motor freigeben oder unterbrechen. Daneben sind noch zwei Platinen verbaut, von denen ich nur mutmaßen kann, worum es sich handelt. Letztlich verwende ich nur die beiden Schütze in meinem eTouring.

Der Master des Batteriemanagementsystem sitzt ebenfalls in der mittleren Batteriebox. Obendrauf sitzt eine der unzähligen Slave Platinen für die 8 Zellen, die in dieser Box verbaut waren.

Das BMS kommunizierte über CAN Bus mit den restlichen Komponenten des Elektroautos. Ich werde versuchen wenigstens die 108 Zellspannungen und die Temperaturen auszulesen, sollte eigentlich klappen. Mehr zum Thema CAN Bus Hacking in einem späteren Beitrag, 

Balancing

Um heraus zu bekommen ob die Zellen voll oder leer sind, kann die Zellspannung gemessen werden. Weil die Ladekurve der Akkus aber im Arbeitsbereich sehr flach verläuft kann man nicht hinreichend genau erkennen ob eine Zelle zu 60 oder zu 70 % geladen ist. Dies ist aber wichtig, weil alle Zellen gleichermaßen geladen sein müssen. Warum ist das so wichtig ?

Im Fahrbetrieb werden durch die Reihenschaltung alle Zellen gleichmäßig entladen. Sind einige der Zellen schwächer geladen, geraten sie am Ende der Fahrt eventuell schon in Unterspannungsbereiche, was die Lebensdauer verkürzt.

Beim Ladevorgang werden alle Zellen wieder gleichermaßen aufgeladen. Sind Zellen dabei, die garnicht richtig leer waren, werden diese nun zu lange geladen, also eventuell überladen.

Diese beiden Probleme umgeht man, in dem man die Zellen alle gleichmäßig auflädt und auch dafür sorgt, daß dies so bleibt. Im Batteriemanagement ist dafür das Balancing vorhanden. Diese Funktion misst ständig alle Zellspannungen und lädt ggf. einzelne Zellen mit kleinen Strömen nach. Das kann bei neuen Zellen einige Zeit dauern, aber letztlich wird irgendwann der eingeschwungene Zustand erreicht, der erst durch eine Störung des Systems aus dem Gleichgewicht kommt. Wenn z.B. eine einzelne Zelle wegen defekt getauscht werden muss.

Ladezustand in der Praxis

Wegen der flachen Spannungskurve im Betriebsbereich der Akkus muss man vorallem im mittleren Bereich die zweite Stelle hinterm Komma betrachten um zu ermitteln wie voll der Akku ist. Hier eine Übersicht die ich in einem englischen Forum gefunden habe, die das Problem verdeutlicht:

100% - 3,65V
  99% - 3,61V
  95% - 3,46V
  90% - 3,32V
  80% - 3,31V
  70% - 3,30V
  60% - 3,29V
  50% - 3,28V
  40% - 3,27V
  30% - 3,25V
  20% - 3,22V
  17% - 3,20V
  14% - 3,12V
    9% - 3,00V
    0% - 2,50V

Weil die handelsüblichen Multimeter auch nicht wirklich sehr genau arbeiten, bleibt immer eine Restungenauigkeit. Bei meinen 108 Zellen in Reihenschaltung würde dies für die Gesamtspannung bedeuten:

100% - 394,2V
  99% - 389,9V
  95% - 373,7V
  90% - 358,6V
  80% - 357,5V
  70% - 356,4V
  60% - 355,3V
  50% - 354,2V
  40% - 353,2V
  30% - 351,0V
  20% - 347,8V
  17% - 345,6V
  14% - 336,9V
    9% - 324,0V
    0% - 270,0V

Für eine möglichst lange Lebensdauer sollte man die Akkus nicht im vollen Bereich sondern nur zu 80% nutzen, also z.B. von 10-90% betreiben. Daher kann ich mir im Fahrbetrieb als grobe Hausnummer meine HV Spannung anzeigen lassen und mich im Bereich von 358V bis 330V aufhalten.
 


 
tino@e30.de