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Kipphebel wechseln M20
 

Die folgende Anleitung beschreibt den Austausch eines gebrochenen Kipphebels OHNE Demontage des Zylinderkopfes und bei eingebautem Motor. Die Problematik beim M20 besteht darin, dass die Kipphebelachsen längs in den Zylinderkopf eingeschoben sind und nicht nach oben weggenommen werden können. Auf der Motorrückseite ist bei eingebautem Motor kein Platz zum Austreiben der Achse. Die eigentlich hohlen Achsen sind beidseitig mit Stopfen verschlossen, was das Durchschieben einer Gewindestage zum rausziehen leider ebenfalls unmöglich macht. Bei umsichtigem Arbeiten gemäss dieser Anleitung entstehen meines Erachtens keinerlei schädliche Nebenwirkungen für den Motor, die Einsparung an Arbeitszeit und vor allem Geld gegenüber einem Kipphebelwechsel nach Kopfabbau ist erheblich, allein neue Kopfschrauben, Kopfdichtung, Hosenrohrdichtung schlagen schliesslich mit ca. EUR 120.- zu Buche, vom Arbeitsaufwand ganz zu schweigen. Grundkenntnisse der Schlosserkunst sollten vorhanden sein.

Zur Zeit hat der instandgesetzte Motor bereits wieder 5000 km hinter sich.

ACHTUNG: Die Arbeit wurde an einem 320i Cabrio Bj. 90 durchgeführt, bei dem beide Kipphebelachsen ohne Lageveränderung des Motors unter dem Kühlerblech durchpassen, bei anderen BMW Modellen erst prüfen, ob dieser Sachverhalt ebenfalls gegeben ist. Sollte ein Kipphebel des ersten Zylinders betroffen sein bitte unbedingt den Nachtrag am Textende beachten!

Wir benötigen:

Von BMW: Ersatzkipphebel, Zahnriemen (soll ja angeblich nach Entspannung nicht wiederverwendet werden), falls gewünscht neue Ventildeckeldichtung.

Allgemein: Gewindebohrer M12 nebst Zubehör (optimal mit Verlängerung), Gleithammer (�Beulenziehhammer�) möglichst lang mit Anschlussgewinde M12, Torxnuss Grösse �12� für Nockenwellenschraube, Schraube M12x20mm oder länger, Eisensäge, Bremsenreiniger o.ä., Staubsauger mit feiner Düse, Loctite, Holz-, Alu- oder Kupferstück zum Wiedereintreiben der Achse.

Zusätzlich empfohlen: Gutes Klebeband (�Duct Tape�), Plastikfolie, ggf. Kühlerfrostschutzmittel zum Ersatz von Verlust.

Es geht los: Position der Haubenscharniere mit Filzstift/TippEx an der Motorhaube markieren, Waschwasserschlauch und ggf. Düsenheizung trennen, Haube abbauen und wegstellen.

Motor auf OT Zyl.1 drehen, Zahnriemen abbauen, siehe meine diesbezügliche Anleitung.

Falls Ventildeckel nicht sowieso wg. Kipphebeldiagnose weg ist, jetzt abbauen. �Niere� aus Kühlergrill demontieren (2 Metallclips oben), am besten auch die schwarze Plastik-Luftführung vom Frontblech lösen (8 Plastik-Spreiznieten)

Torxschraube des Nockenwellenrades lösen (sie hat Regelgewinde, sitzt aber oft sehr fest. Aufdrehen entgegen dem Uhrzeigersinn). Rad abnehmen, Zylinderkopf dahinter reinigen. Gummistopfen vor der Achse des betroffenen Kipphebels aus der Kopfaussparung herausziehen.

Bild 1: Folie über den unteren Teil des Motors kleben zum Schutz vor Spänen, den Verschlussstopfen der Achse, die wir entfernen müssen, mittig ankörnen und Gewinde M12 einschneiden. Vorsicht: Ab dem Moment, in dem der Gewindebohrer aus dem Stopfenmaterial in die eigentliche Achse eindringt, wird das Material recht hart und spröde, aufpassen. Das Gewinde muss auch nur etwa 10 � 15 mm tief sein. Es ist m. E. skandalös, dass dieses Gewinde nicht herstellerseitig vorhanden ist, das würde die Sache extrem vereinfachen, das muss ich an dieser Stelle mal loswerden.

Bild 2: Jetzt die Arretierplatte der Kipphebelachsen nach oben herausziehen. An der betroffenen Achse alle Ventileinstellexzenter lösen und möglichst alle Kipphebel entlasten so gut es geht. Die 6 Axialarretierbügel über den Kipphebeln nach oben abziehen.

Bild 3: Stange des Gleithammers in die Kipphebelachse einschrauben und Achse soweit wie zum Auswechseln des Kipphebels erforderlich herausklopfen. ACHTUNG: Unter Umständen hat irgendein Kipphebel noch Spannung und hüpft davon! Im Hinblick auf die Entfernung von Bohrspänen empfehle ich aber auf jeden Fall, die Achse ganz zu entfernen. Jetzt mit dem Staubsauger den Bereich vorne im Kopf, wo gebohrt wurde, peinlich säubern, ggf. mit kleinem Pinsel nachhelfen.

Aufmerksame Beobachter erkennen natürlich das �Schummelbild�, weil ja schon der neue Kipphebel zu sehen ist. Das Foto vom eigentlichen Austreiben war leider unscharf, deshalb statt dessen das �gestellte� Foto ;o)

Bild 4: Um das spätere Eintreiben zu erleichtern die Ablagerungen auf der Achse entfernen und unbedingt Achse innen mittels Bremsenreiniger und am besten Druckluft gründlich reinigen.

Bild 5: Da die Achse ja im Betrieb Drucköl führt müssen wir natürlich die durch das Gewinde entstandene Öffnung verschliessen, ich habe dazu von einer M12-Schraube ein Stück abgesägt und anschliessend mit einem Schlitz versehen für einen Schraubendreher. Die Länge S muss kleiner sein als das Mass X zur ersten Ölbohrung, damit diese nicht verschlossen wird. Dieser selbstgefertigte Gewindestift wird mit Loctite Mittelfest o. ä. jetzt bündig in die Welle eingeschraubt.

So, jetzt die Achse unter Zuhilfenahme von reichlich Öl wieder eintreiben � nie mit dem Hammer direkt auf die Achse klopfen bitte, immer Holz, Kupfer oder Alu dazwischen � und die Kipphebel auffädeln.

Bild 6: Fummelig sind die Kipphebel, die nicht ganz entlastet sind � steht der Motor z.B. auf Zünd-OT Zyl.1 ist es das Einlassventil vom 3. Zylinder - hier muss man versuchen das betreffende Ventil etwas niederzudrücken, z.B. wie im Bild gezeigt. Die Achse darf nicht verdreht sein zum Schluss, man muss sich an dem eingefrästen Schlitz für die Arretierplatte orientieren. Arretierplatte einsetzen, Federklammern wieder aufstecken, Gummistopfen vorne in den Kopf, Nockenwellenrad wieder festschrauben.

ACHTUNG: Sofern ein Einlasskipphebel gebrochen war muss jetzt UNBEDINGT die Zündkerze des betreffenden Zylinders entfernt werden! Es besteht die Gefahr dass, sofern der Motor noch eineWeile auf 5 Zylindern gefahren wurde, das Saugrohr des betreffenden Zylinders voll Kraftstoff steht. Wird jetzt das Ventil erstmals wieder durch den neuen Kipphebel geöffnet, gelangt der Kraftstoff in den Zylinder und beim folgenden Verdichtungstakt kommt es zum �Fuel Lock� wodurch der Motor erheblich beschädigt werden kann! Dann war alles für die Katz � und das wollen wir doch nicht!

Neuen Zahnriemen montieren � wieder siehe meine diesbezügliche Anleitung � und alles wieder komplettieren bis auf den Ventildeckel und alles was mit Kühler zu tun hat, dennwir müssen natürlichnoch die Ventile einstellen, auch hierzu gibts ja Tips im �Do it yourself�. Jetzt merken wir auch, wie prima das geht, wenn nicht immer die blöde Motorhaube im Weg ist, und das Weiterdrehen der Kurbelwelle ist auch einfacher ohne Kühler, gell. Abschliessend Kühlsystem komplettieren und Haube wieder drauf.

Und wenn der nächste Kipphebel bricht, geht alles viel schneller, weil ja dann das Gewinde schon da ist.

Es sei denn, es erwischt einen Hebel auf der anderen Achse... ;o)

Bild 7: Hier sieht man die fülligere Gestaltung des Ersatzkipphebels gegenüber einem Muster der ursprünglich verwendeten Bauart. Wer also auf Nummer sicher gehen möchte spendiert vielleicht alle Kipphebel neu, wenn man eh� schon dabei ist, ein Hebel kostete im September 2003 EUR 15,08 inkl. MwSt. Der Zustand der Gleitstücke sollte dabei am besten mit in die Entscheidung einfliessen, siehe

Bild 8: Gleitstücke gut und schlecht. Leider dreht sich unter einem eingelaufenen Gleitstein allzu oft auch eine ebensolche Nockenwelle. Aber das ist eine andere Geschichte...

NACHTRAG: Einige Monate nach Veröffentlichung erreichte mich eine Mail mit hochinteressantem Inhalt, meinen allerherzlichsten Dank dafür an Joachim Bartz für die wirklich geniale Idee, die Beschreibung und die Fotos, die für sich selbst sprechen. Und für die �markenübergreifende� Hilfe! Lest selbst:

�Hi Stefan,

ich fahr' normalerweise Porsche 944 und schraub' da auch dran rum, aber

mein Kumpel fährt auch ein E 30-Cabrio. Samstag nach dem der ADAC uns sein

Auto anschleppte, alles durchgeguckt bis wir dann den Fehler gefunden

haben. Kipphebel 1.Zylinder Einlass. Nachdem ich abends "Kipphebel

gebrochen" in meine Suchmaschine eingegeben habe, bin ich auf Deine

Fotostory gestossen. Wenn es am 1.Zylinder passiert, bekommt man die

Kipphebel raus, wenn man die Kipphebelwellen nach hinten drückt.

Getriebe vom Halter lösen (oben bei den Gummipuffern), Wagenheber drunter

und hochheben, dadurch kippt der Motor gerade so weit nach vorne, dass man

die beiden Kipphebel vom 1.Zylinder wechseln kann. Der Auslasskipphebel

musste auch raus, sonst bekommt man den Einlasskipphebel nicht frei. Anbei

3 Fotos.

Gruss Achim�

Wichtige Hinweise zu dieser speziellen Methode:

1.) Wer genau hinkuckt sieht es sowieso, zur Sicherheit noch der Hinweis: Auspuffkrümmer muss auch ab, sonst kann der Motor nicht weit genug nach vorn kippen!

2.) Mittlerweile ist mir auch ein Fall bekannt geworden, bei dem sich offenbar trotz allem angewandten Budenzauber die Kipphebelachsen partout nicht mehr nach vorne drücken lassen wollten. Gut möglich, dass es hier hinsichtlich Schwergängigkeit von Motor zu Motor Unterschiede gibt. Wer also auf Nummer sicher gehen will wird entweder auch für diese Methode zuerst Gewinde vorn in die Achsen schneiden oder wenigstens, nachdem die Achsen etwas nach hinten geklopft wurden, ausprobieren ob man die Dinger auch wieder nach vorne gedrückt bekommt, da man in dieser Richtung ja leider wesentlich weniger Ansatzmöglichkeiten hat. Und wenn die Achsen erstmal press hinten am Motorraumblech anstehen ist es definitiv zu spät für diesbezügliche Experimente.

 

Wer genau hinkuckt sieht es sowieso, zur Sicherheit noch der Hinweis: Auspuffkrümmer muss auch ab, sonst kann der Motor nicht weit genug nach vorn kippen!

Für welche Methode sich der geneigte Mechaniker auch entscheidet...

�Ruhe bewahren� empfiehlt

StefanL (s.lehr@fh-mannheim.de)